Wegzugsbesteuerung bei Unternehmensstrukturen vermeiden: Die häufigsten Irrtümer
Als Unternehmer mit einer GmbH oder einer Holdingstruktur haben Sie sich sicherlich schon einmal gefragt, wie Sie die Wegzugsbesteuerung vermeiden oder zumindest minimieren können. Diese Frage ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere wenn Sie planen, Ihren Wohnsitz ins Ausland zu verlagern.
In diesem Blogbeitrag werden wir uns mit den häufigsten Irrtümern und Fallstricken befassen, die bei der Umgehung der Wegzugsbesteuerung auftreten können.Wir werden auch einen aktuellen Praxisfall betrachten, um zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, diese Angelegenheit sorgfältig zu prüfen.
Definition der Wegzugsbesteuerung
Die Wegzugsbesteuerung tritt auf, wenn Sie als Gesellschafter Anteile an einer Kapitalgesellschaft halten und Ihren Wohnsitz in Deutschland aufgeben. Wenn Sie dann ins Ausland ziehen, möchte Deutschland die Anteile an Ihrer GmbH oder Holding einmalig besteuern. Dies hat seinen Ursprung darin, dass die meisten Länder sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen haben.
Diese Abkommen bestimmen, welches Land das Besteuerungsrecht in Fällen von potenzieller Doppelbesteuerung hat, also die Zuordnung der Steuerhoheit. Gemäß dem OECD-Musterabkommen hat in der Regel der Staat das Besteuerungsrecht, in dem eine Person ansässig ist, insbesondere in Bezug auf den Gewinn aus dem Verkauf von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft.
Früher war es möglich, deutsche Steuern zu umgehen, indem ein Gesellschafter beispielsweise in die Schweiz umzog und dann seine Anteile an einer deutschen Kapitalgesellschaft verkaufte. In solchen Fällen konnte die Schweiz den Gewinn besteuern, nicht Deutschland. Später wurde jedoch die Wegzugsbesteuerung eingeführt.
Diese Regelung besagt, dass bei Wegzug das Risiko besteht, dass Deutschland den Gewinnanteil an der deutschen Kapitalgesellschaft nicht mehr besteuern kann. Mit Einführung der Wegzugsbesteuerung hat der Fiskus diesen Steuerausfall verhindert. Die Wegzugsbesteuerung tritt also ein, wenn ein Gesellschafter in ein anderes Land zieht und dann seine GmbH-Anteile verkauft. Zu diesem Zeitpunkt, wenn er im anderen Land ansässig ist, wird die Wegzugsbesteuerung in Deutschland fällig.
Bedeutung der Strukturwahl
Die Wahl der Unternehmensstruktur spielt eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob und wie die Wegzugsbesteuerung vermieden werden kann. Häufige Strukturen im deutschen Mittelstand sind GmbHs oder Holdinggesellschaften, die Anteile an operativen Gesellschaften halten. Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht alle Strukturen automatisch vor der Wegzugsbesteuerung schützen. Eine sorgfältige Analyse der Struktur ist daher unerlässlich.
Typischerweise haben mittelständische Unternehmen in Deutschland oft die Struktur, dass sie Anteile an einer Kapitalgesellschaft, in der Regel einer GmbH, halten oder Anteile an einer Holdinggesellschaft halten, die wiederum Anteile an der GmbH hält. In solchen Fällen würde die Wegzugsbesteuerung grundsätzlich Anwendung finden.
Rolle von GmbH und Co. KG
Die Wegzugsbesteuerung kann vermieden werden, indem Deutschland weiterhin das Besteuerungsrecht an den Anteilen einer Kapitalgesellschaft behält.
Früher wurde häufig angenommen, dass die Einbringung von GmbH-Anteilen in eine GmbH und Co. KG die Wegzugsbesteuerung verhindern könne. Diese Annahme beruhte darauf, dass die GmbH und Co. KG als gewerblich geprägt galt und somit eine Betriebsstätte darstellte. Eine inländische Betriebsstätte ist der entscheidende Faktor in Bezug auf die Wegzugsbesteuerung. So entschied der Bundesfinanzhof, dass das Vorliegen einer GmbH & Co. KG allerdings nicht zum Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte führt. Liegt in Folge keine inländische Betriebsstätte vor, verliert Deutschland das Besteuerungsrecht und die Wegzugsbesteuerung findet Anwendung.
Beispiel: Nehmen wir an, Chris ist Inhaber einer Holding GmbH. Um steuerliche Vorteile zu erlangen, beschließt er, die Anteile seiner Holding GmbH in eine GmbH und Co. KG einzubringen. Dieser Schritt erfolgt ohne Steuerauslösung und führt dazu, dass Chris nun Anteile an der GmbH und Co. KG hält, während diese die Anteile an der Holding besitzt.
Problematisch wird es, wenn Chris beschließt, ins Ausland zu ziehen. Früher ging man davon aus, dass die GmbH und Co. KG automatisch eine Betriebsstätte darstellt und somit das Besteuerungsrecht in Deutschland bleibt, auch wenn Chris seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt. Chris denkt, er habe die Wegzugsbesteuerung vermieden.
Die Komplexität des internationalen Steuerrechts zeigt sich darin, dass eine GmbH und Co. KG nicht automatisch eine Betriebsstätte auslöst. In vielen Fällen kann dies bedeuten, dass Deutschland das Besteuerungsrecht verliert und die Wegzugsbesteuerung fällig wird. Dies ist abhängig davon, in welches Land Chris auswandert.
Internationales Steuerrecht berücksichtigen
Bei der Gestaltung einer Unternehmensstruktur müssen auch die steuerlichen Bestimmungen des Ziellandes berücksichtigt werden. Es ist wichtig zu prüfen, ob das Zielland ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland hat und wie die dortigen Steuergesetze die Situation beeinflussen. Eine länderübergreifende Betrachtung der steuerlichen Implikationen ist unabdingbar.
Unternehmensbewertung und finanzielle Folgen durch die Wegzugsbesteuerung
Das Finanzamt bewertet das Unternehmen des Gesellschafters. Vereinfacht gesagt, beim vereinfachten Ertragswertverfahren nimmt das Finanzamt den durchschnittlichen Gewinn der letzten 3 Jahre, multipliziert diesen mit einem Faktor 13,75 und bestimmt so den Wert des Unternehmens. Nehmen wir an, der durchschnittliche Jahresertrag Ihres Unternehmens beträgt etwa 1 Million Euro. So würde Ihr Unternehmenswert bei etwa 14 Millionen Euro liegen.
Durch die Besteuerung unter Anwendung des Spitzensteuersatzes hätte der Wegzug etwa 7 Millionen Euro Wegzugsbesteuerung zur Folge. Bei Wegzug fällt dann die Wegzugsbesteuerung an, und der Gesellschafter muss Steuern auf den Unternehmenswert zahlen, weil Deutschland das Besteuerungsrecht auf die Anteile an der Kapitalgesellschaft verliert.
Weitere steuerliche Aspekte beachten
Neben der Wegzugsbesteuerung sollten auch andere steuerliche Aspekte wie die Erbschafts- und Schenkungssteuer berücksichtigt werden, insbesondere wenn eine Unternehmensnachfolge geplant ist. Eine ganzheitliche Steuerplanung ist daher erforderlich, um langfristige steuerliche Belastungen zu minimieren und die Nachhaltigkeit des Unternehmens zu gewährleisten.
Wir haben kürzlich einen Fall in unserer Beratungspraxis gehabt, der ein anschauliches Beispiel für die Komplexität internationaler Steuerfragen darstellt. Ein Kunde meldete sich bei uns wegen einer anderweitigen Frage steuerrechtlicher Natur und berichtete, dass er vor zwei Jahren in ein anderes Land umgezogen war. Nun hatte dieser seine Ansässigkeit wiederum geändert. Bei der steuerlichen Analyse seiner Frage stellen wir fest, dass durch den erneuten Umzug eine völlig andere Rechtslage als zuvor galt. Der Kunde war in ein Land gezogen, welches kein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland hatte.
Darüber hinaus übte seine GmbH und Co. KG keine aktive Tätigkeit aus und hatte keine Verbindung zur Holding. Somit lag keine Betriebsstätte im Sinne der steuerlichen Definition vor. Folglich verlor Deutschland das Besteuerungsrecht und die Wegzugsbesteuerung wurde in dem Moment der Anmeldung im anderen Staat ausgelöst, obwohl der Kunde bereits seit 2 Jahren nicht mehr in Deutschland ansässig war. Diese Erkenntnis war für ihn, so wie für viele weitere Unternehmer auch, überraschend.
Der Kunde war in ein Land gezogen, das kein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland hatte. Weiterhin übte seine GmbH und Co. KG keine aktive Tätigkeit aus und hatte keine Verbindung zur Holding. Da somit keine Betriebsstätte im Sinne der steuerlichen Definition vorlag, wurde die Wegzugsbesteuerung aktiviert, als er sich im neuen Land anmeldete. Dies war eine unerwartete Falle, die wir als "Falle 1" bezeichneten: Trotz des Einbringens seiner Anteile über die Holding GmbH löste sein Umzug ohne Betriebsstätte die Wegzugsbesteuerung aus.
Solche Fälle treten in letzter Zeit vermehrt auf und verdeutlichen die Notwendigkeit einer gründlichen steuerlichen Planung und Beratung, insbesondere bei grenzüberschreitenden Geschäftsaktivitäten.
Individuelle Beratung ist unerlässlich
Insgesamt ist es wichtig zu verstehen, dass die Vermeidung der Wegzugsbesteuerung eine komplexe Angelegenheit ist, die sorgfältige Planung und Beratung erfordert. Nur durch eine fundierte Analyse der individuellen Situation und die Zusammenarbeit mit erfahrenen Steuerexperten können Unternehmer die bestmöglichen Entscheidungen treffen und ihre steuerliche Belastung optimieren.
Jeder Fall ist anders, und es gibt keine universelle Lösung für die Vermeidung der Wegzugsbesteuerung. Alleine deshalb ist eine gründliche Analyse der individuellen Umstände und eine maßgeschneiderte Beratung durch Experten unerlässlich, um potenzielle Risiken zu identifizieren und geeignete Strategien zu entwickeln. Nur so können individuelle Bedürfnisse und Zielsetzungen angemessen berücksichtigt werden.